Le canal des deux mers
Le canal des deux mers
Am Freitag, den 15. September, unserem Hochzeitstag,
starteten wir mit Phil und Gina wegen der Tidenverschiebung spät abends
um 23.30 Uhr. Wir wollten lieber den einfacheren Teil nachts fahren als im
Dunkeln die Gironde anzusteuern. Sobald wir aus dem Schutz der Insel kamen,
hatten wir eine hohe Welle. Wir wussten, dass der Seegang nach den langen
Sturmtagen noch hoch sein würde.
Es kam dann etwas, womit ich gar nicht mehr gerechnet
hatte: ich musste gegen aufkommende Seekrankheit kämpfen, obwohl ich am Steuer
stand. Wir waren 8 Tage lang nicht mehr auf dem Wasser gewesen, mein Innenohr
war nicht mehr adaptiert. Nach der ersten Kursänderung kamen die 3m hohen
Wellen von der Seite, sehr unangenehm. Ich futterte im Stehen am Steuer auf dem
schwankenden Schiff mein zum Glück schon vorbereitetes Müsli, das muss dann ganz schnell gehen. Ich
war erleichtert, als meine Übelkeit wieder nach unten sackte.
Mit Phil waren wir im ständigen Funkkontakt auf Kanal 8. Er
hatte anfangs Mühe gegen Wind und Welle mit seinem 8 PS-Motor zu fahren. Gina
machte die Welle auch zu schaffen. Später erfuhren wir, dass Phil am Mast auf
den Baum gestiegen ist um eine verhakte Leine der Lazyjacks (Hilfsleinen um das
Großsegel zu bergen) zu lösen. Und das im Dunkeln bei diesem Seegang! Das hat
Gina den Rest gegeben und danach ging es ihr nur noch schlecht.
Hartmut döste ein bisschen, ihm macht die Schaukelei ja
nichts. Ich hatte genug Adrenalin um nicht müde zu werden und musste mich konzentrieren
nicht seekrank zu werden. Ziel war zu ‚slackwater', also um 8. 30 Uhr an der
ersten Ansteuerungstonne zu sein.
Hartmut und Phil rechneten also ständig aus, ob die Wegepunkte zur rechten Zeit
erreicht wurden.
Also: Slackwater ist
der Zustand im Wasser, an dem der Strom von Ebb- zu Flutstrom (oder umgekehrt)
kippt. Dieser Zeitpunkt der Strom-Ruhe ist allerdings oft nicht der Zeitpunkt
des Hoch- oder Niedrigwassers!!! Um eine kritische Stelle – hier ein Ort, an
dem jeder Strom gefährliche Brecher rechts und links der Passage verursacht –
zu passieren, muss man diesen Zeitpunkt an einer Passagen-Einfahrt treffen, um
mit weniger Risiko einfahren zu können. Die Einfahrt in die Gironde ist
gepflastert mit Wracks – gut in den Karten vermerkt – also nicht ‚ohne‘! Ich
muss schon die Segler bewundern, die dieses Revier als ihr Segelrevier
befahren. Nicht viele – aber es gibt sie. Selbst in der Gironde ist das Segeln
im Strom nicht einfach, wie wir später bemerken durften!
Der Wind nahm entgegen der Vorhersage auf Windstärke 5
zu. Wir fuhren nur mit dem Vorsegel um gleiches Tempo mit Phil, auf seinem 8m
Bootchen, fahren zu können. Wir mussten immer mehr reffen (Segelfläche
verkleinern), doch wir waren einfach zu schnell. Wir durften auf keinen Fall in
die Gironde-Mündung einfahren, wenn der Strom noch gegen uns läuft.
Es war immer noch stockdunkel, die Leuchttürme der Insel
waren weit hinter uns. Von rechts blitzte es, ein Gewitter zog auf. Oh je, ein
Gewitter auf Legerwall (zu starker Wind drückt ein Schiff seitlich aufs Land),
das fehlte noch. Hinzu kam, dass ich Phil aus den Augen verloren hatte, denn
vor mir hatte ich plötzlich gelb blinkende Lichter, auf die ich zusteuerte. Ich
wollte Hartmut gerade fragen, was das für Tonnen sein können, als er ganz
unruhig wurde. Wir fuhren nach Plotter (Navi auf See) und Hartmut trug die
Positionen in die Seekarte ein. Mit Schrecken stellte er fest, dass die
Position unserer Ansteuerungstonne in
Plotter und Seekarte um drei Seemeilen differierte! An dieser wichtigen Tonne mussten
wir bei hohem Seegang zwischen zwei Sandbänken fahren. Der Plotter gab den Kurs
89 Grad an, die Seekarte 68 Grad! Wir funkten
Phil an auf Kanal 8, doch der Funkkontakt war abgebrochen.
Es war ein gemeinsamer
Fehler, von Phil und mir: der Kanal 8 sendet nur mit 1Watt – genug für Binnen
und kurze Entfernung, aber bei mehr als 2 Meilen Distanz und so hohen 3-4m
Wellen reißt die Verbindung ab!
Das war dramatisch, Gewitter von rechts, gelbe blinkende
Tonnen vor mir und der Navigator konnte mir keinen Kurs geben. Wir schalteten
den Motor an und fuhren Volldampf Phil hinterher, in die Richtung, in der ich
ihn verloren hatte. Die gelben Lichter konnten nur Schiffe sein, meinte
Hartmut. Irgendwann hörten wir Phil wieder, aber er uns nicht. Er bekam mit, dass
wir Probleme haben und kehrte um!
Wir hatten wieder Kontakt, das Gewitter zog hinter uns
vorbei, die Lichter waren Positionslichter von Lastschiffen und Spezialschiffen
der Airbusflotte, die in einer nicht ausgewiesenen Stelle in der Mündung ankerten.
Diese Lichter sah man wegen der hohen Wellen immer nur alle paar Sekunden, daher
wirkten sie wie blinkende Tonnen. Phil war nun auch verunsichert, stimmten die
Angaben in seinem Plotter auch nicht?
langsam heller.
Also, es hat schon
seinen, sehr eigenen Reiz!! Wir segelten in der Dämmerung, sahen kein Land, da
die gesuchte Ansteuerungstonne „MXA“ ca. 10 Meilen vor der Girondemündung im
Atlantik liegt, waren von hohen, diffusen Wellen umgeben und hatten erst mal
keine Ahnung, wie wir den Eingang der Passage überhaupt definieren könnten! Und
es zeigte sich, als wir wieder Verbindung zum 2. Boot hatten, dass es da noch
viel wissender zuging. In dieser Situation blieb uns nur die Möglichkeit, die
Tonne No 2 anzupeilen. Die war 4 Meilen weiter landwärts und wir konnten nur
hoffen, dass die großen Flachs nicht bis zu unserem Kurs reichten. Ab da war
das linke Auge auf den Tiefenmesser – das Rechte auf den Plotter gerichtet!!! (es
brauchte zum Glück nur wenige Tage, bis ich mit beiden Augen wieder in eine
Richtung gucken konnte!)
Zum Glück war es mittlerweile hell und wir konnten von
unserem höheren Schiff besser nach der Tonne Ausschau halten. Wir sahen sie!
Wir fuhren dicht heran um die Zahl
erkennen zu können, die Position stimmte mit der Tonne in der Karte überein, puuh!
Wir hangelten uns von Tonne zu Tonne, ich hatte die Aufgabe so dicht an die
Tonne heran zu fahren, dass wir die Zahl lesen konnte, aber nicht so dicht,
dass uns die Querströmung und die schräg, achterliche Welle an die großen
Metalltonnen drückte. „Boa, sind das hohe Wellen“, meinte Hartmut. Doch ich
wollte und konnte gar nicht hingucken. Sie waren mittlerweile 4m hoch, wir
konnten nur noch unter Motor fahren, da der Wind nachließ, und ich hatte meine
liebe Mühe, das Schiff auf Kurs zu halten. Und immer wenn sich mein Magen
meldete musste ich schnell etwas essen.
Phil schaffte es auch, irgendwann kamen wir in die
Abdeckung der Sandbank, es wurde ruhiger und wir erreichten Royan. Dort
überraschten uns Marek und Sivia, die extra zwei Tage auf uns gewartet hatten.
Nach 13 Stunden aufregender und schaukelnder
Fahrt fielen wir uns alle in die Arme.
Silvia empfing uns mit heißem Tee, Salzstangen und Erdbeeren, das war einfach
grandios!!!
Royan blieb uns als ein Nachtspektakel in Erinnerung. Den Tag verschliefen wir, erschöpft von der Spannung der Anfahrt. Die Nacht wurde zu einem Schauspiel der Licht- und Farbarchitektur
Es waren „Open Air Art“ –
Kunstwerke in Licht! Kein Park, kein Boulevardbereich, der nicht mit
Lichteffekten verzaubert wurde
Im Moment haben wir die Schwierigkeit, immer zur Springzeit
unterwegs zu sein. Zu Vollmond und Neumond ist die Differenz zwischen Hoch- und
Niedrigwasser besonders hoch und somit auch die Strömung. Die Gironde-Mündung verengt sich immer mehr zu
einem Fluss, die Strömung kann bis zu 10 Knoten stark werden.
Daher gibt es an diesem Fluss keine geschützten Häfen, da
die Stege von dem reißenden Fluss immer wieder zerstört wurden. Die Stege sind
offen, die Strömung geht durch den Hafen. Damit man es überhaupt mit der Kraft
des Motors schafft, gegen den Strom anzulegen, kann man nur zu „Slackwater“ in
den Hafen einlaufen. Unser nächster Anlaufpunkt ist Pauillac, die Ankunftszeit
soll laut Telefonat mit dem Hafenmeister genau um 17.00 Uhr sein, das
Zeitfenster mit dem geringsten Strom beträgt nur 10 Minuten. Besonders Phil hatte
Sorge mit seinem kleinen Motor gegen die Strömung anzukommen.
Wir hatten raumen Wind und konnten noch einmal richtig
schön segeln, allerdings auf einem braunen, schmutzig anzusehenden Fluss.
Der letzte Segelschlag auf der Gironde.
Leichter Wind von hinten und ein Anschub von 5 Knoten (ca.10 km/h) durch den
Strom.
Phil und Gina auf Lullo
Marek und Silvia auf Aquila probierten ihren Genacker, ein Leichtwindsegel für raumen Wind, aus.
Immer wieder kontrollierten wir die Zeit, wir waren zu schnell, reduzierten
immer mehr die Segelfläche, bis wir vor der Einfahrt den Motor anwarfen und
eine Stunde Kreise fuhren. Das war irgendwie komisch. Phil wurde unruhig, da um
16.30 Uhr der Strom immer noch mit 5 Knoten lief. Und dann, ganz plötzlich, ließ
der Strom bis auf 3 Knoten nach und wir
konnten in den Hafen einlaufen. Der Hafenmeister erwartete uns schon und hat
uns beim Anlegen geholfen.
Also, ich dachte ich
kenne die Gironde und die Garonne ein bisschen – hab so oft sehnsüchtig am Ufer
in Bordeaux gestanden, oder im Hafen die Langfahrer liegen gesehen, aber „dieses
Wasser“ habe ich SO nicht wahrgenommen! Eine braune Brühe, in der man höchstens
5cm weit gucken könnte, ginge man darin tauchen. Ich muss es erwähnen, denn mit
unserem kleinen Wasserfilter für die Motorkühlung, ausgelegt für das große Meer,
mussten wir eine tägliche Routine des Säuberns einführen. Und das Braun ist
Lehmschlamm! In Strudeln sieht man Wolken im Wasser. Und es setzt sich mit der Zeit
in den Innereien des Kühlkreislaufs ab! Hat aber den Vorteil gehabt, dass ich
mich mit dem System auseinandersetzen lernte – im Fluss, und in den folgenden
Kanälen ist so viel Zeugs, dass sich sofort im Filter festsetzt, dass ich alle
2-3 h den Filter reinigen muss. Das lernte ich mal wieder drastisch, als wir
einen Notstopp einlegen mussten, als unser Impeller wieder zu schmoren
anfing!!! Aber es ist noch mal gut gegangen!
Am nächsten Morgen standen wir alle früh auf, es gab viel
zu tun. Wir hatten ja schon im Voraus das Mastenlegen unserer drei Boote
verabredet und das musste um das Hochwasser herum, am Nachmittag, durchgeführt
werden. Es mussten Maststützen gebaut werden, dafür Hölzer aus allen Ecken
gefunden und vorbereitet werden und die wurden auf die phantasievollsten Weisen
an den Decks festgezurrt. Der Kranführer ging die Aufgabe sehr gelassen, aber mit
35 jähriger Erfahrung, an. Der Kran war Baujahr 1902, aber noch im besten
Alter! Der Kraner war wohl gleichen Baujahrs! Mit einer einfachen Leine und
sehr spezieller Bindetechnik wurden diese unterschiedlichen Masten ohne
irgendwelche Schäden gelegt – wir waren alle erleichtert.
Ha, Alter schützt vor
Können nicht!
Die drei Schiffe sind abfahrtbereit.
Nun ging es an die letzten beiden schwierigen Etappen.
Der Hafenmeister warnte uns schon davor, dass die Strömung derzeit sehr stark
sei.
Wir haben Spring-Zeit,
dh. größte Differrenz zwischen Hoch- und Tiefwasser und größte Stromgeschwindigkeit.
Phil hatte keine guten Erinnerungen an seine letzte Fahrt
durch Bordeaux und durch die napoleonische Pont de St. Pierre. Diese Brücke hat
11 Bögen, jeweils mit dicken Mauern und schmalen Durchfahrten, vor der es Querströmungen
und kabbelige Wellen gibt. Phil wollte am liebsten eine Woche warten bis die
Springzeit vorbei ist. Letzten Endes entschied er sich doch, mit uns zu fahren
und wir rauschten mit 9,4 Knoten durch die Brücke. Es war zum Glück kein Wind, sodass alles halb so schlimm war.
Es ist richtig „geil“,
so da durch zu rauschen! Aber wirklich nicht ohne! Das Boot ist mit liegendem
Mast ja 14m lang, mit den Überhängen schwer zu steuern und man muss, wie bei
einer Wildwasserfahrt gut zielen, wenn
es auf jeder Seite nur 2m Platz hat. Aber, wenn man durch ist, bricht es
einfach aus einem heraus: „Geil !!!“.
Das sieht so harmlos aus - eigentlich dürfte bei dem Speed (10-12Kn) die Bildschärfe verlorengehen- Aber vielleicht ist mein Eindruck auch etwas übertrieben.
Dann legten wir abends um 20.00 Uhr, mit dem wirklich, letzten
Tageslicht, an einem Außensteg in
Begles, einem Vorort von Bordeaux, an. Das war der Hammer! Wir legten alle
Leinen doppelt, welch eine Strömung! Das ablaufende Wasser knallte an den
Spiegel des Schiffes, es riss an den Leinen, es gurgelte und schäumte. Phils
Boot wurde fast unter den Steg gedrückt, wir haben alle kaum geschlafen.
Ich habe Bordeaux
eigentlich als eine ziemlich entspannte Stadt erlebt und auch den – von weitem
beschaulich dahingleitenden – Strom der Garonne als recht träge eingeschätzt.
Aber: das muss man wirklich miterlebt haben. Selbst am Rande fließt der Strom bis
zum Ende der Flut noch mit 5 Knoten (ca 10km/h). Wenn der Strom dann kippt,
dauert es etwa 1 Stunde bis der Ebbstrom einsetzt, die sogenannte „Slack-Zeit“.
Der Gegenstrom kommt aber direkt mit voller Wucht und kann zur Springzeit auch
hier am Rand locker 8 bis 10 Knoten erreichen. Puh! Wenn der aber von Ebb- auf Flutstrom kippt,
geht das mit EINEM Schlag. Die Strudel reißen einem Boot fast die Klampen aus
dem Deck!! Oh „Schiett“ Im Schiff
brüllt das Boot in knirschenden Verbänden – es reisst an „kreischenden“ Leinen – alles leidet
schmerzhaft. Man muss wirklich sehr abgebrüht sein, um da ruhig zu bleiben. Ich
hab noch nie solche Töne, nein Klagen, eines Schiffes gehört!
Die Strudel sind ganz gut zu erkennen - aber sie im Schiff zu spüren.... ist schon was anderes.
Am nächsten Morgen wollten wir mit der einsetzenden Flut nur noch weg, bloß wieder in die Mitte des Flusses. Aber, oh je, über dem ganzen Fluss lag dichter Nebel.
Auch auf dieser, unserer letzten Etappe, hatten wir das
Problem, dass wir nur ein Zeitfenster von vier Stunden hatten, um gegen 11.00 Uhr
rechtzeitig bei der Schleuse, und damit am Beginn des Kanals, zu sein. Der Schleusenwärter kann die Tore nur
zur Hochwasserzeit (+/- 1h) aufmachen. Im Dunkeln wollten - nein konnten - wir
nicht fahren, und jetzt dieser Nebel! Wir warteten 45 Minuten, der Nebel verzog
sich etwas aber ohne Radar (die Masten sind alle gelegt, wir haben auch keinen
Radarreflektor mehr), bei dieser Strömung – sollen wir wirklich losfahren? Marek
hat noch einen Plotter, unserer zeigte nur noch die groben Flussgrenzen, den
Weg würden wir also finden. Wir sind dann losgefahren, waren eigentlich zu spät
dran, aber keiner wollte noch eine Nacht dort in Begles verbringen. Langsam
fahren ging nicht, mit 7 ½ Knoten durch den Nebel war unheimlich. Wir tröteten um
die Wette, zum Glück kam uns keiner entgegen. Wir sind ja auf der Route der Transportschiffe,
die auf der Garonne die Flugzeugteile des Airbusses transportieren, diese
Schiffe fahren auch gegen den Strom.
Doch zum Glück- das war unsere Hoffnung - die
Sonne riss irgendwann den Nebel auf und wir konnten Gas geben.
Es blieb uns auch Zeit für den Blick auf die wunderschöne Landschaft.
Es kam dann, was
zu befürchten war, wir waren zu langsam, der Zeit hinterher, und der Strom kippte
innerhalb von 10 Minuten, und wir hatten
ihn gegen uns. Der Trimaran und wir konnten mit unserer Power noch Fahrt über
Grund machen, doch Phil gab uns über Funk Bescheid, dass er es nicht schaffe
und umkehren müsse. Der Schleusenwärter hat noch auf den Trimaran gewartet und
dann zum Glück auch noch auf uns - welch ein Segen, und dann – hupps - ist man
innerhalb einer halben Stunde mit der Schleuse von einem reißenden Fluss in
einem ruhigen Kanal mit Hausbootathmospäre. Phil und Gina haben es dann eine Stunde später
doch noch geschafft, Phil fuhr dicht unter Land und kurz vor der Schleuse ließ der
Strom etwas nach. Die beiden mussten aber, leider, noch einmal eine unruhige
Nacht am Wartesteg vor der Schleuse verbringen und waren am nächsten Morgen groggy.
Das war hier der Anfang des zweiten Abschnittes: die Schleuse in den Canal du Garonne. Von einem Moment zum andern ist das Problem mit Strömungen und Tide Vergangenheit! Schön? Na ja - es kommen andere Unbillen.
Einfahrt am nächsten Morgen von Phil uns Gina in die erste Schleuse in Castel en Dorthe
Ausfahrt aus der Schleuse - rein in den Dreck!
Was ein Unterschied,
so plötzlich in einer gänzlich anderen Welt, in einem Kanal! Mir tat Pipoca
leid, wie sie da kastriert, das Deck mit Mast und Ausrüstung wie ein
Sperrmülllager, so vor uns lag. Und im
Kanal lag eine ganz andere Art von Booten. Alles Motorkoffer! Plötzlich lagen
wir neben Schiffen mit Kleingartenflair – Wäscheleinen bestimmter das ‚Rigg‘,
Blumenkästen quollen mit Geranien, Gardinchen mit Rüschen bestimmten den Aus-und
Einblick, die Schiffe lagen meist mit ihren fetten Hintern am Ufer/an Pollern
fest, und die Schiffer hatten einen ganz anderen Typus, meist begleitet von
Hündchen unterschiedlichster Mischungen, die ihre Spuren zu oft auf den Stegen
hinterließen. Wir Segelboote waren plötzlich eine Minderheit, bestaunt und
befragt: „wo geht’s denn mit euch hin? Was, bis zum Mittelmeer? Das ist weit!“.
Gut, das wir das jetzt auch wussten!
Und das Wasser: hier
waren wir von der Garonne ja schon vorbereitet, die Sicht im Wasser beträgt
wenige Zentimeter. Aber das Süßwasser hat Schlingpflanzen, Seerosen und
allerhand andere nette Gewächse, die besonders gut im Bereich der
Wasseroberfläche gedeihen. Dazu kam die erschreckende Erkenntnis, das der Herbst
Einzug gehalten hatte – die braunen Blätter der berühmten Platanten des Kanals
lagen schon dicht auf der Wasseroberfläche. Wir Seeschiffe sind für unsere
Motor-Wasserkühlung mit recht kleinen Filtern ausgerüstet – eben so für
Seeschiffe! Und das Kraut/die Blätter konnten den Filter in Null,Nix zusetzen.
Wir haben ja sonst nix zu tun, und jetzt noch alle paar Stunden Filter reinigen?
Na gut! Also Motor an.
‚Le canal des deux mers' unterteilt sich in zwei Abschnitte,
den ‚Canal de Garonne' von Castets en Dorthe bis Toulouse mit 53 Schleusen und
200 km und den ‚Canal du Midi' von Toulouse bis Agde mit 89 Schleusen und 232
km. Der Kanal de Garonne wurde im Jahre 1856 für die Schifffahrt freigegeben.
Der von Riquet gebaute Canal du Midi
wurde nach 14 Jahren Bauzeit im Jahre 1681 geflutet und ist seitdem unverändert
– nur kurbeln und treideln muss man nicht mehr.
Der Schleusenwärterund der Hafenmeister von Castets en Dorthe bereiteten uns
am 21. September einen freundlichen Empfang. Am nächsten Morgen bekamen wir sogar das Baguette
an Bord gebracht.
Ich freute mich mal wieder einen Wald zu sehen und bin
als erstes joggen gegangen.
Unser netter Hafenmeister erklärte uns das Schleusen und
nahm beim ersten Mal unsere Leinen an. Vor jeder Schleuse hängt in einem Abstand
von ca. 60 Meter über dem Kanal ein Kabel und daran eine lange Stange aus einem
Hartgummirohr, an der man drehen muss, um sich anzumelden. Ein gelbes
Blinklicht an der Schleusenampel zeigt an, ob diese Anmeldung registriert
wurde. Wenn sich die Schleuse für dich bereit macht, leuchtet zum roten Licht,
und dem Blinklicht, ein grünes auf. Dann wird die Schleusenkammer geleert, wenn
man bergauf fährt und die Schleusentore öffnen sich. Die Ampel schaltet zur
Einfahrt auf grün. Soweit zum
Funktionsprinzip. Die Realität sagt erst einmal „Warte!“.
Man kann dann an einem Haltepontons festmachen, oder dümpelt
vor den Toren. Das gestaltet sich nicht einfach, Strudel und Querströmungen machen
es schwer, das Schiff in Fahrtrichtung zu halten, der Kanal ist nur
unwesentlich breiter als unser Schiff mit gelegtem Mast lang ist.
Dann öffnen sich die Tore und man fährt ein. Das ist
jedes Mal spannend, da man erst im letzten Moment sieht auf welcher Seite die
Leiter ist. Ich bin dann mit den Leinen die glitschige Leiter hochgeklettert
und habe die Poller oder Stangen gesucht. Jede Schleuse ist immer ein bisschen
anders und hat die Vorrichtungen an unterschiedlich Stellen.
Ich drücke den Startknopf und dann geht's los. Das Wasser
schießt mit großer Wucht in die Kammer und wir halten mit all unserer Kraft die
Leinen und damit das Boot auf Position- ein Fitnessstudio ist nichts dagegen.
Das stimmt vollauf! Der
einlaufende Strom schiebt die 5,5 Tonnen voll zurück, um dann von hinten auf
voll voraus zu wechseln -da muss der Hintermann ganz schön Kraft aufbringen,
das ,Boot auf der Position zu halten, während Ute an der Vorleine zusehen muss,
dass das Boot sich nicht wegdreht und mit den überstehenden Mastenden irgendwo
anschlägt (unser Albtraum). Auf dem Bild ist zu sehen, wie sich ein Bizeps in
2-wöchiger Schleusenarbeit aufbauen kann.
Is´doch was, oder?
Anfangs waren wir noch so blauäugig und sind mit zwei
Schiffen in die Schleuse gefahren. Doch der Vordere ist je nach Höhe der
Schleuse gekniffen, das Schiff ist kaum zu halten und dengelt mit dem gelegten
Mast an die Schleusenwand. Besonders „spaßig“ ist es mit den riesigen, rundum abgefendertden
Leihbooten von ‚Locaboat‘ in der
Schleuse zu sein. Die meist sehr ungeübten Fahrer titschen ständig an die Schleusenwand und kommen
unserem Schiff gefährlich nahe. Mittlerweile warten wir lieber einen
Schleusenvorgang ab, ehe wir noch einmal zu zweit einfahren.
Aquädukte
Die Kanaltour kann unter guten Bedingungen in einer Woche durchgezogen werden. Das wäre ganz schön stressig – merkten wir sofort. Und wir hatten doch als Maxime für uns ausgegeben: wir haben Zeit! Das setzten wir um. Die Reiseplanung suchte gut erreichbare Orte mit versorgten Anlegemöglichkeiten. Versorgt deshalb, da wir mit dem Kühlschrank einen Stromfresser an Bord haben, der beständig versorgt werden will, d.h. wir brauchen für die Nacht Land Anschluss. Etwas ärgerlich ist das schon – es gibt so idyllische Plätze zwischendurch, in freier Natur und ab von allem Trubel. Na gut – so lernten wir Orte kennen, von deren Existenz wohl die wenigsten wissen. Und fast täglich war, nach Anlegen, der erste Gang zu einem Kaffee – toll, in Frankreich ist Kaffee immer Espresso und „grand“ immer doppelt. So erweiterte ich mein Französisch um die wesentlichen 50% mit: „un Café grand avec un ver d'eau, s'il vous plait“. (Sprachbegabung lässt sich nicht verstecken -nach 50 Bestellungen kommt das fast fließend raus- immerhin hatte ich mal ein Jahr Französisch in der Schule). Aber das war ja nur der Eintritt in den jeweiligen Ort.
Wir schauten uns um und suchten zuerst die Zentren mit den Kirchen. Das ist reizvoll. Im 11ten Jahrhundert hat wohl eine ungeheure Aufwertung der Kirche stattgefunden. Klöster und Kirchen, Residenzen und Kathedralen gegründet und gespendet, Befestigungen und Burgen kamen fast alle 300Jahre später. So findet man in kleinsten Städtchen große, fast kathedrale Kirchen, faszinierende Bauten, über die Jahrhunderte aufgefrischt mit Zeitgeist (das Beispiel zeigt eine romanische Grundstruktur der Kirche mit gotischen Erweiterungen und ein gepflanzten Barockaltar vom Feinsten), deren Hauptkapitel den besuchenden Touristen gewidmet ist, während die echten Andachten in kleinen Nebenkapellen, in seitlichen Nischen, abgehalten werden.
Aber die Bauten haben
für uns beide etwas beeindruckendes. Oft wird die Wirkung durch die alten
Glasmalereien (falls in Fragmenten noch erhalten) und die Licht Architektur
verstärkt. Und mich beeindruckt immer wieder, wie sehr draußen draußen bleibt,
wenn man sich in solcher Umgebung befindet. Die wussten schon, wie man effektiv
beeindruckt, die alten Kirchenleute
Und die Orte –
eigentlich ist dieses Binnenland um den Canal du Midi ein Dörferfriedhof. So
oft erleben wir, dass schon das Abzweigen in die erste Nebenstraße ein Weg in
eine ganz andere Wirklichkeit ist – die Häuser sind heruntergekommen, Fenster
auf Dauer verschlossen, Straßenzüge stimmlos und düster. Die Landflucht ist mir
nirgends so bewusst geworden wie beidseits dieser Kanäle. Es hat etwas von
Hollywood-Westernstädten: bunte Fassaden, grelle Farben an den Tourikneipen und
Cafés – und direkt dahinterliegende Trostlosigkeit. Ich habe immer wieder mit
den ‚Einheimischen(?)‘ gesprochen, versucht herauszufinden wie sie hier leben –
aber fast jedesmal erfahren, dass der Ort nur für die Saison geöffnet‘ ist.
Fast alle leben in Städten der weiteren Umgebung, in die sie sich, früher oder
später im Jahr, wieder zurückziehen. Die Orte verfallen!
Es ging für uns aber
weiter aufwärts! Zumindest was das Schleusen anging. Bis wir uns – endlich –
den letzten Orten der ‚Bergfahrt' näherten. Und deren Hauptstadt ist Toulouse.
Wir waren gerade stolz auf unsere erfolgreiche Schleusenroutine, als es in die drei Schleusen
von Toulouse ging. Diese Schleusen sind automatisiert, d.h. kameraüberwacht. In
der ersten Schleuse waren wir gemeinsam mit Phil und seiner ‚Lullo‘ in der Schleuse und standen vorne. Hartmuts
Leine verhakte sich in einer Spalte, die Leine drohte von der Klampe zu rutschen
und Hartmut hielt mit Fuß und Händen das Schiff fest. Am Ende meinte er, er habe
das Gefühl gehabt es würden seine Knochen in den Händen brechen.
Es war für mich
definitiv die härteste aller Schleusenkämpfe. Und ich glaube, der Wärter am
Bildschirm und an den entscheidenden Knöpfen hat einfach auf ‚Fullspeed‘
geschaltet. Das ist gerade noch mal gut gegangen! Ich hatte echt Schiss, dass es
in der Zweiten nochmals so hart würde! Aber…
Beim zweiten Schleusengang sind wir vorsichtshalber wieder
alleine in der Schleuse gewesen, alles war einfacher. Hier hatte ich das
Gefühl, sie beginnen mit dem Schließen der Tore, ehe man richtig fertig ist,
ein bisschen gespenstig alles.
Vielleicht hat der
Wärter gesehen, dass er es bei der Ersten etwas übertrieben hatte. Er öffnete
die Schieber nicht so ganz. Danke!
Wir fuhren zur dritten Schleuse – etwas überspannend
durch enge Winkel, Tunnel und Brücken - die noch vor dem Stadtzentrum liegt - ich
schaute an riesigen Wänden hoch und fand zunächst nichts zum Festmachen, bis
ich einen Hubpoller für die Achterleine entdeckte (so
ein Hubpoller ist in einer Wandlücke angebracht. Man muss erst einmal
durchblicken, dass er aufschwimmt und mit nach oben fährt!) Doch
wohin mit der Bugleine? Weiter vorne war nur eine Leiter, unsere Leine hinten
war zu kurz, wir verlängerten sie schnell, ich hatte Panik, dass der nicht zu
entdeckende Schleusenwärter schon die Schleusentore schloss, ehe unser Schiff
fest war. Also schnappte ich mir die Leine und bin die 7 m hohe, fürchterlich
glitschige Leiter hochgehastet. Oben war meine Leine auch zu kurz für den
nächsten Poller, also rum um eine Leitersprosse. Ich hatte die Lacher auf
meiner Seite, die Schleusenwärter bekommen einiges zu sehen. Die anderen beiden
Crews lachten sich bei meiner Erzählung kaputt, der andere Hubpoller war wohl
direkt hinter der Schleuseneinfahrt für die
Heckleine gewesen. Den haben wir übersehen, wir kannten diese auch
nicht. Phil meinte, mein Leitersprint sei bestimmt demnächst bei YouTube zu
sehen, hi hi.
Silvia in der Schleuse - im Hintergrund die Leiter, die ich hochgeeilt bin
Toulouse war uns dann
erst einmal eine 2-tägige Pause wert! War auch nötig! Wir sind ja sonst immer
nur unterwegs.
Unsere Tagesetappe bemisst sich angesichts der Anstrengung eher nach der Anzahl der Schleusen als nach gefahrenen Kilometern. Nach 10-12 Schleusen am Tag reicht es uns.
Die Fahrt auf dem Kanal ist dann aber gemütlich, die
Höchstgeschwindigkeit beträgt 8 km/h. Am ersten Tag entspannten wir uns gerade,
als ein uns bekannter Geruch in die Nase stieg! Der Motor war wieder heiß
geworden! Schnell den Motor aus und mit der Restgeschwindigkeit ans Ufer, wir hatten Glück, waren in der Nähe eines Pontons. Ein Mann kam uns
zu Hilfe, ich sprang an Land und wir konnten gerade noch mit den Leinen das
Schiff abbremsen. Ein Blick in den Filter der Wasserpumpe zeigte uns die
Bescherung, alles voller Blätter und Zweige! Tja, unser Motor ist es gewohnt
sauberes Meerwasser zu filtern und kein brakiges Kanalwasser. Der Impeller der
Wasserpumpe hat wahrscheinlich wieder Schaden genommen und muss am Ende der
Kanaltour gewechselt werden. Nun sind wir gewarnt, der Filter, der sonst einmal
jährlich gereinigt werden muss, wird von Hartmut zwei Mal täglich gesäubert. Und
danach immer vergewissern: Ist der Seewasserhahn auf?!?
Es schwimmen neben den Blättern viele Zweige und Stämme
im Wasser, einiges haben wir schon gerammt, beim Anlegen stecken wir häufig im
Schlamm fest. Einmal haben uns zwei nette Franzosen eine Planke geliehen, damit
wir an Land konnten.
Uns haben besonders die Pilgerorte Moissac und Toulouse gefallen,
wieder mit beeindruckenden Kirchen. In den malerischen Örtchen lassen sich
viele Künstler nieder. Leider bietet unser Schiff wenig Platz für Neuerwerbungen,
Hartmut hat Mühe an den vielen schönen Bildern vorbeizugehen.
Bisher hatte es glücklicherweise noch nicht geregnet, doch in Toulouse wurde das Wetter schlecht – und wir bekamen nasse Füße. Durch den gelegten Radarmast tropfte das Wasser trotz abdichten durch den Kabeldurchlass, unsere Matratzen und Laken saugten sich voll. Igitt.
Bis auf einen ordentlichen Katscher am rechten Bugbereich hat unser Schiff keinen Schaden genommen. Einer hilfsbereiten Dame an Land übergab ich unsere Bugleine, an der sie so heftig zog, dass die Bordwand an den Quai krachte. Boah - habe ich mich geärgert, da wir eigentlich keine Hilfe gebraucht hätten. Seitdem übergebe ich keine Leinen mehr!
Unsere Sechsertruppe scheint sich allmählich aufzulösen.
In den ersten Wochen ließ uns das Wetter nicht weiterfahren, die Tide hat uns
feste Abfahrtzeiten vorgegeben. Hier im Kanal möchte Phil viel Strecke machen
und ist an den Sehenswürdigkeiten nicht interessiert. Man könne sich das ja
auch im Internet anschauen. Marek und Silvia sind Langschläfer und kommen erst
später weg. Die Schleusen machen eine Stunde Mittagspause und schließen seit
1.Oktober um 18.00 Uhr, da vergeht schnell die Zeit. Mal schauen ob wir uns am
Ende zum Maststellen wiedertreffen.
Nach Toulouse begann der Canal du Midi. Jetzt waren wir
in dem Originalteil aus dem 17-ten Jahrhundert mit seinen wunderbaren alten
Brücken, den gemauerten Rändern und ovalen Becken. Riquet musste damals den
Finanzminister Rochefort und den König Ludwig XIV überzeugen und das gelang. Es
ist schon etwas Besonderes, in einem Kanal durch das Land zu fahren, der unter
solch schweren Bedingungen vor mehr als 400 Jahren geschaffen wurde.
Ich vermisste jedoch
auf der ganzen Strecke ein Denkmal für den unbekannten Arbeiter, der sich hier
kaputt geschüttet hatte.
Auf dem Kanal du Midi sterben immer mehr Platanen an einem Virus, der schon durch Berührung übertragen wird. Hier drei tote Bäume, der VNF kommt gar nicht hinterher alle Bäume abzuholzen und aufzuforsten.
Carcassonne- Zeitsprung ins Mittelalter
Auf dem Kanal du Midi sterben immer mehr Platanen an einem Virus, der schon durch Berührung übertragen wird. Hier drei tote Bäume, der VNF kommt gar nicht hinterher alle Bäume abzuholzen und aufzuforsten.
Kranke Bäume
Die Bäume werden direkt von den Booten aufgefangen
Gesunde Bäume
Am Ufer des Kanals liegen viele liebevoll aufgearbeitete Schiffe
Aber auch Wracks um die sich keiner mehr kümmert
In Castelnaudry haben wir Bergfest gefeiert – von nun ab gings bergab! Und das ist schon ein Unterschied. Wir fahren in eine Schleuse ein, legen gemütlich die Leinen über die Poller und gleiten langsam abwärts. Keine Kraftakte mehr!!! Aber auch das ist nicht ohne Tücken.
Nach und nach stellten wir fest, dass der Wasserstand wegen langer Trockenheit um 20-30 cm tiefer war als normal. Es konnten nicht mehr alle Partien voll geflutet werden, und wir hoppelten mit unseren 1,18 cm Tiefgang mehr durch den Kanal als dass wir fuhren.
Phil hat nur 4 cm mehr Tiefgang und musste den Trinkwassertank
leeren um überhaupt fahren zu können. Jeder der irgendwo etwas gerammt hat, hat
dem Hintermann per WhatsApp gewarnt an welchem Kilometerstand mit einem Hindernis
zu rechnen ist.
Wir haben auch eine Weile gebraucht bis wir verstanden haben, dass es in diesem Kanal an jeder Schleuse Schleusenwärter gibt, die den Schleusenvorgang überwachen und den Einlauf des Wassers regulieren und stoppen können. Man darf in diesen Schleusen nicht mehr die Leiter hochklettern, sondern muss sich vorher am Wartepontons rauslassen um dem Schleusenwärter Bescheid zu sagen. Da musste ich oft gewagte Sprünge an Land machen, da wir kurz vor dem Ufer immer auf Grund liefen, sich das Schiff drehte und ich schnell vom Seitendeck zum Bug eilen musste um über den Bugkorb schnell an Land zu springen. Wie gut dass Hartmut eine sportliche Frau hat!
Pipoca mit dem Popo im Kanal
Die Schleusen sind
oval, so passen bis zu vier Schiffe hinein. Die Anzahl der Leihboote von den
Vercharterern ‚Locaboat' und ‚Le Boat' haben im landschaftlich schöneren Canal
du Midi deutlich zugenommen. So blieb uns nur selten das Glück beschert alleine
in die Schleuse einfahren zu können. In den letzten Tagen nahm auch noch der
Wind zu und es spielten sich abenteuerliche Szenen bei der Einfahrt ab, häufig
standen die Schiffe quer vor der Einfahrt, titschten trotz Bugstrahlruder wie
Autoscooter an die Schleusenwände und ich hatte nicht Hände und Füße genug, die
Boote von uns fernzuhalten. Wir mussten uns immer zunächst aus dem Schlamm
wühlen, zirkelten durch die vor der Schleuse herrschenden Querströmungen – und
das alles ohne Bugstrahlruder – und mussten dann schnell anlegen, Hartmut hielt
die Leinen und ich sprang nach hinten um
das nachkommende Schiff abzuhalten. Später haben wir erfahren, dass man keinen
Bootsführerschein braucht, um sich diese Schiffe auszuleihen. Jeder erhält nach
einer zehnminütigen Einführung eine befristete Fahrerlaubnis. Besonders schlimm
war es, wenn die Leute alkoholisiert fuhren oder, wie bei einem älteren Ehepaar
der Mann nicht wusste wie man den Rückwärtsgang einlegt und das Schiff aufstoppt.
Einfahrt in die Schleuse
Die Schleusenwärter meldeten uns bei der nächsten Schleuse an
Bei der Ausfahrt muss man genau in der Mitte durch die Brücke fahren
Gina ist gelernte Frisörin und hat uns allen die Haare geschnitten
Es gab auch einen 160 m langen Tunnel in dem nur ein Schiff Platz hat. Wer zuerst im Tunnel ist hat Vorfahrt und muss während der Fahrt mit einer Lampe leuchten und immer wieder laut tröten. Nur diese Vorfahrtsregel ist nicht jedem bekannt! Phil und Gina erzählten uns per Telefon aufgeregt, dass sie schon im Tunnel waren als ein Locaboatfahrer mit Volldampf auf der anderen Seite einfuhr und auch nicht abbremste. Phil musste wieder rückwärts aus dem Tunnel herausfahren, ein Langkieler fährt aber nicht gerade rückwärts, er krachte mit dem Mast an die Tunnelwand. Wir waren gewarnt und fuhren erst nach 18.00 Uhr, nachdem die Schleusen geschlossen waren und kein Depp mehr uns entgegen kommen konnte, durch den Tunnel.
Beziers
Die berühmte7-stufige Schleuse `Les Ecluses de Fontseranne` in Beziers
Ein Porträt von Riquet wurde abends an die Wand projiziert
Der öffentliche Dienst in Frankreich und somit auh das Schleusenpersonal streikte am 9.10.2017
Warten vor der Schleuse
Am vorletzten Tag, in der 7-stufigen Schleuse von Biziers, hatte sich Phils Leine in der Klampe verhakt, er konnte die Leine nicht mehr lösen, das Heck hing schon einen halben Meter aus dem Wasser, der Motor lief ohne Kühlung - das ging alles blitzschnell. Phil ließ einen Brüll los, der Schleusenwärter stoppte den Wasserauslauf. Phil hatte zum Glück ein Messer in der Hosentasche, er kappte die Leine, das Boot krachte wieder ins Wasser. Phil war nun endgültig mit den Nerven am Ende und meinte: „Never ever the Canal du Midi with a sailing boat!“.
Wir haben uns aber an den mittelalterlichen Städten mit
den immer wieder beeindruckenden Kirchen erfreuen können. Manchmal hätte ich mir
mehr Zeit an Land gewünscht, doch Phil drängte weiter und wir wollten am Ende
gerne wieder gemeinsam die Masten setzen.
Rundschleuse in Agde
Die letztem Meter durch den Kanal
In der Flussmündung des Herault hatten wir endlich wieder klares tiefes Wasser unter dem Kiel. Die Werft in Agde erwartete uns schon.
In angespannter Stimmung wurden mit vereinten Kräften die Masten gesetzt und aus unseren Schiffen wurden wieder Segelschiffe.
Wir haben unsere ‚Pipoca‘ an Land setzen lassen, und siehe da: wir hatten, zur allgemeinen Belustigung, eine schwarze Damen-Spitzenstrumpfhose in der Schraube und einen kleinen Stein im Impeller des Speedometers verklemmt. Klar, dass die Bootsgeschindigkeit rapide runtergegangen ist! Aber die Logge funktionierte ja auch schon einige Tage nicht mehr. Jetzt war die Tempowelt wieder in Ordnung. Und erstaunlich war, dass das Unterwasserschiff uns fast sauber entgegen strahlte. Der starke Bewuchs hat die Wechsel von Braak – zu Seewasser und dann ins Süß – und zu guter Letzt wieder in Salzwasser nicht überlebt. Nur der Kiel hat auch ordentliche Macken abbekommen.
Nach einem Tag auf dem Mittelmeer liegen wir in Gruissan und haben wieder Starkwind. Alle drei sind aber nicht böse um die Pausentage. Auch die 20-30 Jahre jüngeren Mitsegler waren erschöpft.
Wahrscheinlich werden sich unsere Wege bald trennen, Phil sucht ein Winterlager, Marek eigentlich auch und wir wollen weiter. Das wird ein trauriger Abschied nach sechswöchiger gemeinsamer Reise und des Boulespielens.
Boah, was für ein Abenteuer
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